Unser Verständnis von Schule und Lernen

Jeder Mensch, ob jung oder alt, hat eine angeborene, intrinsische Motivation zu lernen und sich weiterzuentwickeln. Lernen versteht sich dementsprechend als individueller, fortschreitender, biologischer Prozess des Verstehens und sich Erschließens der eigenen Umwelt, der durch das natürliche Interesse jedes Individuums, entdecken und gestalten, lernen und sich entwickeln zu wollen, gesteuert wird. Die Frage, unter welchen Bedingungen Kinder ihre intrinsische Lust am Lernen und Gestalten weiterentwickeln und zu starken, verantwortungsbewussten und teamfähigen Persönlichkeiten heranwachsen, lässt sich aus neurowissenschaftlicher Sicht sowie durch Erkenntnisse der Hirnforschung gut beantworten. Von grundlegender Bedeutung ist es, den Kindern ein Lernumfeld anzubieten, das sie dazu befähigt, durch persönliche Auseinandersetzung mit der Welt allmählich zu reifen. Maßgeblich für einen gelingenden Lernprozess ist die eigenständige, selbstgewollte und selbstgesteuerte Auseinandersetzung mit Inhalten und Themen in einer geeigneten Umgebung. Einzig dieses intrinsische Lernen, so zeigen Forschungsergebnisse, hat einen wirklich langfristigen Erfolg und bewirkt neurologische Veränderung im Sinne von „Wissenszuwachs“. Nach unserem Konzept lernen die Kinder daher:

  • frei,
  • eigenständig,
  • selbstbestimmt,
  • im eigenen Tempo und
  • im eigenen Rhythmus.

Das bedeutet konkret:

Die Kinder bestimmen selbst mit was sie sich wann und wie lange beschäftigen.

So lernen sie von Anfang an selbst Verantwortung für den eigenen Lernprozess zu übernehmen, was heute mehr denn je Kernkompetenz für ein erfolgreiches Leben ist. Niemand weiß, wie die Arbeitswelt im Jahr 2042, 2052 oder gar 2062 aussieht. Wir haben jedoch heute die Verpflichtung unsere Kinder in den Schulen auf die Welt von morgen vorzubereiten.

Die Kinder lernen an der Freien Schule Saar daher:

  • altersübergreifend, miteinander und voneinander
  • nicht im festen Klassen- oder Gruppenverband, sondern in sich immer wieder neu findenden, kleinen Interessengruppen
  • ohne Leistungs- oder Notendruck
  • ohne verbindliche Hausaufgaben

Wir ermöglichen den jungen Menschen an der Freien Schule Saar:

Selbstständiges Lernen im eigenen Rhythmus unter Beobachtung und Begleitung kompetenter Mentoren in einer anregend gestalteten Lernumgebung.

Unsere pädagogische Gesamtkonzeption umfasst im ersten Schritt eine Grundschule. Wir beabsichtigen mit einer Schülerzahl von etwa 25 SchülerInnen zu starten und diese kontinuierlich zu erhöhen. Im zweiten Schritt soll die Grundschule nach ca. 3 Jahren durch eine weiterführende Schule ergänzt werden.

 

Grundsätze unserer pädagogischen Arbeit

Die jungen Menschen bringen alle Basiskompetenzen, die sie für ein gelingendes Leben und Lernen benötigen, bereits mit.

„Selbstwert, Würde, sich selbst treu sein, der sein der man ist, sich selbst ausdrücken, nein sagen und Grenzen setzen”1 sind Grundprinzipien, die an der Freien Schule Saar gefördert werden. „Kinder haben alle diese Qualitäten entweder von Geburt an oder müssen nur ein wenig unterstützt zu werden, um sie zu entwickeln”2. Vertrauen, Ermutigung und Wertschätzung stellen zentrale Elemente unserer Lernkultur dar, in der sich die Talente eines jeden Menschen entfalten können. Wir möchten die dazu nötigen offenen DialogpartnerInnen, ermutigenden UnterstützerInnen und herausfordernden BegleiterInnen sein. Es geht darum, junge Menschen mit Lust und Freude lernen zu lassen, Begeisterung zu wecken, die nur entstehen kann, wenn man ihnen vertrauensvoll ermöglicht, die Welt und ihre Gesetzmäßigkeiten selbst zu entdecken. Genau darin sehen wir an der Freien Schule Saar unsere zentrale Aufgabe.

 

Ökologisches und naturnahes Lernen 

Ökologisches und naturnahes Lernen sind für die Freie Schule Saar zentrale Bildungselemente. Daher ist die Kooperation mit einem Bauernhof, der ökologische Landwirtschaft, Tierzucht und Tierhaltung betreibt, von grundlegender Bedeutung für unsere Arbeit. Im Rahmen dieser Ausrichtung wollen wir die erste Hof- und Naturschule des Saarlandes sein.  

Das aktive Mitwirken auf dem Bauernhof und die Lage des Schulgebäudes mit angrenzenden Wald- und Wiesenflächen ermöglicht uns die tägliche, intensive Integration von naturbezogenen Aktivitäten, wie etwa dem Anbau von eigenem Obst und Gemüse oder der Hühnerhaltung. Die Natur und der Bauernhof bieten Raum für vielfältige Erfahrungen und Einblicke und stehen den jungen Menschen als Arbeits- und Erfahrungsraum zur Verfügung. Dabei ist der Bauernhof nicht nur außerschulischer Lernort, sondern ein Teil ihrer natürlichen Lernumgebung, ein einmaliger Erfahrungs- und Erlebnisraum mit handlungsorientierter Wissensvermittlung. Der regelmäßige Einblick in solch einen landwirtschaftlichen Nutzbetrieb sowie das aktive Mitwirken daran lässt die jungen Menschen viel über ökologische, ökonomische und soziale Zusammenhänge und Wirtschaftskreisläufe erfahren. Wir legen Wert darauf, dass den Kindern eben diese unmittelbaren Erfahrungen ermöglicht werden, denn konkretes Erleben ist wesentlich für den Prozess des Lernens und Verstehens. 

Die jungen Menschen sollen Natur und alles was dazu gehört, wie Tiere und Pflanzen, aktiv erleben können, sie verstehen lernen und eine möglichst umfassende Sicht auf die Welt bekommen. Der Umgang mit natürlichen Dingen und Lebewesen ermöglicht ihnen, sich als Teil der Natur wahrzunehmen, Gesetzmäßigkeiten und Zusammenhänge zu erleben und zu begreifen. Dieses Wissen ist nicht durch Lehrbücher vermittelbar, sondern wächst mit der Erfahrung und durch Bestaunen von Details und der Beobachtung natürlicher Kreisläufe. Der tagtägliche Aufenthalt in den umliegenden Wäldern, auf Wiesen, an Bächen und Teichen als Lebensraum von Pflanzen und Tieren, die täglichen Mitarbeit auf dem Bauernhof, die Versorgung und Pflege der Tiere, das Füttern der Schweine und Kälbchen, die Mithilfe und Mitgestaltung der Futtergewinnung, das Striegeln der Pferde und das Ausmisten ihrer Boxen, das Experimentieren und Gestalten mit Naturmaterialien oder das gärtnerische Arbeiten im Schulgarten bietet den Kindern einen einmaligen Zugang zur Natur in all ihren Facetten. Die jungen Menschen können natürliche Produkte weiterverarbeiten und in ihrem Alltag integrieren. Durch den Eigenanbau im Schulgarten lernen sie vom Sämling bis zum Endprodukt auf dem Teller, die Verarbeitung von Lebensmitteln kennen und wertschätzen. Die Gemeinschaft mit Tieren kann durch Beobachtung oder ihre Versorgung auf dem Bauernhof erlebt werden. Die Kinder erfahren die Natur somit als schützenswerten und lebensnotwendigen Raum und lernen einen respektvollen und nachhaltigen Umgang mit natürlichen Ressourcen. Ein nachhaltiger und bewusster Umgang mit diesen Ressourcen ist Teil unseres Schulalltags. Der Aspekt, dass wir mit allem, was wir tun, unmittelbar oder mittelbar unsere Umwelt beeinflussen, soll von allen immer wieder mitbedacht werden. Fragen zum Klimawandel, der Umgang mit Wasser, Energien und Ressourcen sind ein Teil davon. Ziel ökologischer Bildung ist jedoch nicht nur Wissenserwerb, sondern auch die Befähigung jedes Einzelnen, aktiv und eigenverantwortlich die Zukunft mitzugestalten.  

Durch die tägliche, selbstverständliche Integration von Naturräumen als Bewegungs-, Spiel- und Erholungsraum, fördern wir zudem die positive körperliche und seelische Entwicklung der Kinder.

 

Gemeinsam verändern

Unsere Kinder sind unsere Zukunft, die Gestalter der Welt von morgen. Sie sind einzigartig, voller Ideen und neugierig auf die Welt.

Durch den stetig steigenden Leistungsdruck in unserer Gesellschaft steigen auch die Erwartungen an unsere Kinder. Immer früher und immer härter werden bereits die Jüngsten auf Leistung getrimmt – aus Angst der Eltern, ihr Kind könnte im Leben nicht bestehen.

Doch wächst das Gras schneller, wenn man daran zieht? Definitiv nein, eher das Gegenteil ist der Fall. Dieser enorme Druck hat zur Folge, dass die Anzahl der psychisch auffälligen Kinder seit einigen Jahren kontinuierlich steigt. Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung leidet bereits jedes dritte Kind unter Stress und Mobbing. Ein Trend, der in den letzten Jahren leider weiter verstärkt wurde. Die Ursache dafür liegt nicht selten in einer permanenten Überforderung der Kinder durch ihre Lebenswirklichkeit.

Unser Zeitalter unterzieht sich einem unglaublichen Wandel. Globalisierung, Technisierung und Digitalisierung sind in unsere Arbeits- und Lebenswelt eingezogen und nicht mehr wegzudenken. Was genau bedeutet das nun für uns, unsere Kinder und unsere Zukunft? Welche Fähigkeiten und Fertigkeiten dürfen junge Menschen in der Schule der Zukunft für ihr Leben lernen? Wie sieht die Schule der Zukunft mit all ihren Möglichkeiten aus?

In der Wissens- und Ideengesellschaft des 21. Jahrhunderts kommt es immer stärker darauf an, neue Herausforderungen anzunehmen und Probleme lösen zu können. Der Mensch von morgen sollte dem ständigen Wandel und Fortschritt durch Kreativität, Eigenverantwortung, Selbstständigkeit sowie einem hohen Maß an Resilienz gewachsen sein. Lebenslanges Lernen, Flexibilität und Verantwortungsbewusstsein sind insbesondere für die heutige Generation von Kindern und Jugendlichen von großer Bedeutung für ihre Zukunft.

SchülerInnen und LehrerInnen sehen sich jedoch immer stärker einer schulischen Situation ausgesetzt, die den individuellen Entwicklungsbedürfnissen der Kinder nicht mehr gerecht wird. Die "Zeit" titelt am 26. Juli 2021 „Fangt an mit Fridays for Bildung! – Das Schulsystem kann sich nicht selbst transformieren – der Tatendrang muss aus der Zivilgesellschaft kommen“. Der Artikel erkennt richtig, dass die Initiative zur Erneuerung von Schule und Bildung aus dem Bürgertum selbst kommen muss.

Aus diesen Vorüberlegungen und Erkenntnissen ist ein Schulkonzept entstanden, das auf den neusten Erkenntnissen der Neurobiologie sowie schulpraktischen Erfahrungen basiert und sich an den aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen und Lebensumständen orientiert.

Die Freie Schule Saar ist ein Lernort, der allen Kindern aus der Region offensteht. Wir ermöglichen den jungen Menschen, gemäß ihrer spezifischen Entwicklungsbedürfnisse selbstbestimmt und im eigenen Rhythmus zu lernen und somit auch die Fähigkeiten zu erlangen ihren weiteren Lebensweg stimmig zu gestalten.

Wir als „Freie Schule Saar e.V.“ sind eine Antwort auf die Frage:

„Wie begleiten wir Kinder auf Augenhöhe, wertschätzend, liebevoll und unterstützend in die herausfordernde Welt von Morgen?“

Dabei sind wir in guter Gesellschaft. Der Bundesverband der Freien Alternativschulen e.V. zählt aktuell in Deutschland 150 Schulen und Initiativen, Tendenz steigend. Die Bildungslandschaft scheint im Aufbruch.

Großes entsteht im Kleinen!

Gestalten Sie die Zukunft unserer Kinder gemeinsam mit uns!

 

1 Juul, Jesper: Das kompetente Kind, Hamburg, 2008, S. 42.

2 ebd.